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| A. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zu Recht zurückgewiesen. |
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| I. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Monate Januar bis April 2008 eine Entfernungsentschädigung iHv. 440,78 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2008 zu zahlen. |
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| 1. Anspruchsgrundlage für die Entschädigungsforderung ist § 23 Abs. 7 TV-Forst. |
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| a) Die Parteien wenden seit dem 1. Januar 2008 die Vorschriften des TV-Forst auf ihr Arbeitsverhältnis an. |
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| b) Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die § 23 Abs. 7 TV-Forst einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung knüpft. Der Kläger benutzte in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2008 für die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Fahrten von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zur Wohnungsein Kraftfahrzeug. Die Wegstrecken, die der Kläger zurücklegte, betrugen - jeweils gesondert für Hin- und Rückfahrt berechnet - mehr als 31 Kilometer. Die Revision hat gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Einwände erhoben. |
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| c) Der Senat braucht die Streitfrage, ob § 23 Abs. 7 TV-Forst lediglich auf Forstbeschäftigte in Einsatzwechseltätigkeit beschränkt ist oder auf sämtliche Arbeitnehmer im Geltungsbereich des TV-Forst anzuwenden ist (einschränkend etwa LAG Mecklenburg-Vorpommern 30. Juni 2010 - 2 Sa 323/09 -; ArbG Schwerin 16. Juni 2010 - 1 Ca 586/10 -; ArbG Regensburg 15. April 2009 - 3 Ca 2442/08 -), nicht zu entscheiden. Die Tätigkeit des Klägers ist eine Einsatzwechseltätigkeit. |
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| d) Entgegen der Ansicht der Revision schränkt § 23 Abs. 7 Satz 1 bis Satz 3 TV-Forst den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht auf die Beschäftigten ein, die von Organisationsveränderungen in der Forstverwaltung in besonderem Maße betroffen sind. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgebenden Tarifbestimmungen zutreffend ausgelegt. |
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| aa) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht unmissverständlich ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, BAGE 129, 131). |
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| bb) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich das von dem Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis als richtig. |
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| (1) Eine einschränkende Auslegung, wie die Revision sie befürwortet, findet in dem Tarifwortlaut keinen Anhalt. |
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| (a) Dem Wortlaut der Tarifregelung zufolge erhalten die Beschäftigten eine Entfernungsentschädigung, die ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von ihrer Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung benutzen. Das Tarifmerkmal „Beschäftigte“ knüpft an den in § 1 Abs. 1 Satz 1 TV-Forst genannten Beschäftigtenbegriff an. Dieser erfasst alle Personen, die von einem Arbeitgeber in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen oder Betrieben beschäftigt werden und die Tätigkeiten der Waldarbeit ausüben. |
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| (b) Die Bezeichnung der tariflichen Leistung als „Entfernungsentschädigung“ steht in keinem sachlichen Zusammenhang zu Organisationsveränderungen auf Arbeitgeberseite. Der Begriffsteil „Entschädigung“ deutet auf einen Ausgleich für Belastungen hin (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Entschädigung“ iSd. Ausgleichs für Verlust, Schaden, Kosten, Mühen). Die Regelung in § 23 Abs. 7 TV-Forst dient dem Ausgleich von Belastungen des Beschäftigten durch Fahrtstrecken, die der Mitarbeiter nicht aus eigener Kraft im Wege des Umzugs oder auf andere Weise ausgleichen kann. Dies trifft auf die Beschäftigten iSd. § 1 TV-Forst unabhängig von Veränderungen in der Forstorganisation zu. |
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| (c) Der tarifliche Tatbestand „zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück“ lässt entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf schließen, die Tarifvertragsparteien hätten ein ungeschriebenes Tarifmerkmal „Organisationsbetroffenheit“ in die Bestimmung aufnehmen wollen. Einsatzwechseltätigkeit, wie etwa der Kläger sie leistet, fällt in der Fortwirtschaft ohne Rücksicht darauf an, ob die Verwaltungsstruktur organisatorische Veränderungen erfährt. |
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| (d) Entsprechendes gilt für das tarifliche Erfordernis, die Fahrtstrecke müsse mindestens 31 Kilometer betragen. Die von den Tarifvertragsparteien festgelegte Entfernungsgrenze knüpft allein an die konkrete Fahrtbelastung des Beschäftigten, nicht jedoch an eine Organisationsveränderung in der Forstwirtschaft an. Die seit dem 1. November 1997 geltende Erlasslage, auf die die Revision hinweist, ist für die Auslegung der Tarifbestimmung unergiebig. Soweit Ziff. 2 Unterpunkt 2 des Erlasses des niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 24. November 1997 „für die von der Organisationsänderung der niedersächsischen Forstämter zum 1. Oktober 1997 … betroffenen Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter“ unter weiteren Voraussetzungen ein erhöhtes Wegegeld zuerkannte, reflektiert dies die von der Finanzverwaltung bei Einsatzwechseltätigkeiten angenommene Grenze zwischen üblicher und unüblicher Fahrtstreckenbelastung (vgl. BFH 18. Dezember 2008 - VI R 39/07 - Rn. 10 ff., BFHE 124, 111; 11. Mai 2005 - VI R 70/03 - Rn. 12 ff., BFHE 109, 508). Der Umstand, dass § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst den anspruchsberechtigten Personenkreis abweichend von Ziff. 2 Unterpunkt 2 des Erlasses vom 24. November 1997 beschreibt, spricht nicht für, sondern gegen eine einschränkende Auslegung der Tarifbestimmung. |
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| (2) Der tarifliche Zusammenhang, in den § 23 Abs. 7 TV-Forst eingebettet ist, bestätigt das von dem Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis. |
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| (a) Die Übergangsregelung des § 16 Satz 1 TVÜ-Forst gewährt Beschäftigten, die vor dem 31. Dezember 2002 im Geltungsbereich des MTW tätig waren, einen zeitlich begrenzten Bestandsschutz für Ansprüche nach § 34 MTW. Diese Mitarbeiter hatten bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen auch nach Inkrafttreten des neuen Tarifrechts einen der Höhe nach beschränkten Anspruch auf Wege- und Fahrgeld iSv. § 34 MTW. Der Arbeitgeber hatte das Wegegeld entfernungs- und aufwandsabhängig zu leisten, ohne dass es darauf ankam, ob der anspruchsberechtigte Mitarbeiter von Organisationsveränderungen betroffen war. |
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| (b) In dieselbe Richtung weist § 16 Satz 2 TVÜ-Forst. Nach dieser Bestimmung sind Ansprüche aus § 23 Abs. 7 TV-Forst auf die bestandsgeschützten Wege- und Fahrgelder anzurechnen. Die Tarifvertragsparteien wollten auf diese Weise verhindern, dass der Aufwand für Fahrten überkompensiert wird. Der Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass die Anrechnung nur bei Mitarbeitern erforderlich ist, die infolge von Änderungen in der Forstorganisation zusätzliche Nachteile erleiden. |
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| (3) Gegen die Sichtweise der Revision spricht schließlich der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Würde man in § 23 Abs. 7 Satz 1 bis Satz 3 TV-Forst ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal „Organisationsbetroffenheit“ hineinlesen, verlören die Vorschriften ihre tariflichen Konturen. Es bliebe unklar, welche Personen aufgrund welcher, zu welchem Zeitpunkt getroffenen Organisationsentscheidung welchen Inhalts für welche Dauer von der tariflich vorgesehenen Fahrtkostenentschädigung ausgeschlossen wären. |
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| (4) Die von der Beklagten herangezogene Mitteilung des Bundesvorstands der IG BAU vom Februar 2009 und die Bewertung des Forstausschusses der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 8./9. September 2008 rechtfertigen kein anderes Auslegungsergebnis. Selbst wenn darin eine übereinstimmende Einschätzung der Tarifvertragsparteien gesehen werden könnte, dass nur die Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sein sollen, die infolge von Organisationsmaßnahmen besondere Nachteile erleiden, sind diese Stellungnahmen für die Auslegung des § 23 Abs. 7 TV-Forst nicht maßgebend. Denn ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien hat weder im Wortlaut noch im Kontext der Tarifbestimmung Ausdruck gefunden. Ohne Anhalt im Text kann allein auf nachträgliche Äußerungen keine Auslegung gestützt werden (vgl. BAG 20. September 2006 - 10 ABR 57/05 - Rn. 30). |
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| e) Die Nebenabrede in § 3 des die Parteien verbindenden Arbeitsvertrags vom 24. Mai 1991 steht dem vom Kläger erhobenen Anspruch nicht entgegen. Die arbeitsvertragliche Bestimmung, der zufolge „als Ausgangspunkt für die Wegegeldberechnung“ der Ortsteil L der Stadt H gilt, ist für Ansprüche des Klägers auf der Grundlage des abgelösten MTW, nicht aber für Ansprüche nach den Vorschriften des TV-Forst von Bedeutung. |
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| aa) Vereinbarungen, die aufgrund von tariflichen Öffnungsklauseln getroffen werden, enden grundsätzlich mit Auslaufen desjenigen Tarifvertrags, der für ihre Entstehung die rechtliche Grundlage bildet. Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen nachfolgende Tarifverträge ebenfalls Öffnungsklauseln enthalten. Eine Ausnahme ist zu erwägen, wenn der auf der Öffnungsklausel fußenden Vereinbarung im Wege der Auslegung zu entnehmen ist, dass sie auch für den Fall gelten soll, dass der Tarifvertrag durch einen Folgevertrag ersetzt wird (vgl. BAG 25. August 1983 - 6 ABR 40/82 - zu II 4 der Gründe, BAGE 44, 94). |
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| bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 24. Mai 1991 und damit vor dem Inkrafttreten des TV-Forst schlossen, nicht zu entnehmen ist, die Nebenabrede solle über die Laufzeit des MTW hinaus Bestand haben. |
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| (1) Während die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen der Parteien in erster Linie den Tatsacheninstanzen obliegt (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 19, BAGE 131, 30), hat das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen in Formularverträgen selbstständig und uneingeschränkt auszulegen (BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 35, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11). |
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| (2) Selbst wenn der Senat zugunsten der Beklagten davon ausgeht, es handele sich bei § 3 des Arbeitsvertrags um eine von der Beklagten vorformulierte Vertragsbestimmung, ist das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
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| (a) Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Gemäß § 133 BGB ist ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 43, AP GewO § 106 Nr. 7 = EzA GewO § 106 Nr. 4). |
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| (b) Nach diesen Grundsätzen ist das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis nicht zu beanstanden. Die Regelung, die die Parteien unter § 3 des Arbeitsvertrags vereinbarten, erstreckt sich lediglich auf die außer Kraft getretene Regelung des § 34 MTW, nicht jedoch auf die seit dem 1. Januar 2008 geltende Tarifbestimmung des § 23 Abs. 7 TV-Forst. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vertragsbestimmung. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galten allein die Regelungen des MTW. Die Arbeitsvertragsparteien haben auf den „Ausgangspunkt für die Wegegeldberechnung“ abgestellt und damit allein an die Tarifregelungen angeknüpft, die unter Geltung des MTW Ansprüche des Arbeitnehmers auf „Wegegeld“ regelten. |
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| f) Die Regelung des § 23 Abs. 7 Satz 5 TV-Forst lässt den Anspruch des Klägers unberührt. Danach erhöht sich der Anspruch auf Entfernungsentschädigung nicht, wenn ein Beschäftigter seinen Wohnsitz aus persönlichen Gründen verlegt. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz erstmalig vorträgt, der Kläger habe seinen Wohnsitz im Jahr 1997 aus privaten Gründen verlegt, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht Grundlage der revisionsrechtlichen Überprüfung ist. |
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| g) Der Kläger hat durch das Schreiben vom 18. Juni 2008 und die rechtzeitig erhobene Klage die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-Forst gewahrt. |
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| h) Die von der Beklagten zu leistende Entfernungsentschädigung beträgt für den Zeitraum von Januar bis April 2008 440,78 Euro. Die Höhe der vom Kläger erhobenen Forderung ist zwischen den Parteien unstreitig. |
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| 2. Die Beklagte ist verpflichtet, auf die Hauptforderung Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (§ 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). |
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| II. Der Klageantrag zu 2. ist begründet. |
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| 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung, der sich für die Monate Juni und Juli 2008 auf 137,16 Euro beläuft (§ 23 Abs. 7 TV-Forst). Es gelten die Ausführungen unter A I 1 entsprechend. |
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| 2. Die von dem Kläger erhobene Zinsforderung findet ihre Rechtfertigung in § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entfernungsentschädigung ist als Entgeltbestandteil, der nicht in Monatsbeträgen festgelegt ist, erst am Zahltag des zweiten Monats, der auf seine Entstehung folgt, fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 TV-Forst). Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden. |
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| B. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). |
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