Pressemitteilung Nr. 30/20
Eingruppierung einer Beschäftigten in einer Serviceeinheit bei einem Amtsgericht
Die Tätigkeit einer Beschäftigten in einer Serviceeinheit bei einem Amtsgericht erfüllt das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9a Fallgruppe 2 Teil II Abschnitt 12.1 der Entgeltordnung zum TV-L (TV-L EntgeltO)*, wenn innerhalb von Arbeitsvorgängen, die mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit ausmachen, schwierige Tätigkeiten in rechtlich erheblichem Ausmaß erbracht werden müssen. Dabei kann auch die gesamte Tätigkeit der Beschäftigten aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestehen. Maßgeblich für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist allein das Arbeitsergebnis, nicht die tarifliche Wertigkeit der Einzeltätigkeiten.
Die Klägerin ist ausgebildete Justizfachangestellte. Ihr ist die Tätigkeit einer Beschäftigten in einer Serviceeinheit im Sachgebiet Verkehrsstrafsachen an einem Amtsgericht übertragen worden. Nach einer durch das beklagte Land erstellten Beschreibung des Aufgabenkreises hat die Klägerin insgesamt zu 25,17 vH ihrer Gesamtarbeitszeit schwierige Tätigkeiten im Sinne der Protokollerklärung Nr. 3 zu Teil II Abschnitt 12.1 TV-L EntgeltO auszuüben. Das beklagte Land ist hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin von elf Arbeitsvorgängen ausgegangen. Jede Einzeltätigkeit, die in der Protollerklärung Nr. 3 aufgeführt ist, hat es als eigenen Arbeitsvorgang angesehen und daher die Klägerin nach Entgeltgruppe 6 TV-L vergütet. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Tätigkeit bestehe lediglich aus einem Arbeitsvorgang, innerhalb dessen sie in rechtserheblichem Ausmaß schwierige Tätigkeiten auszuüben habe. Deshalb stehe ihr eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TV-L (bis zum 31. Dezember 2018 Entgeltgruppe 9 TV-L) zu. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klage ist begründet. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 9a TV-L EntgeltO. Alle Tätigkeiten in der Serviceeinheit sind ihr einheitlich zugewiesen und führen zu einem Arbeitsergebnis. Sie stellen deshalb lediglich einen Arbeitsvorgang dar, innerhalb dessen die Klägerin in rechtserheblichem Ausmaß schwierige Tätigkeiten erbringt. Der Senat hält an seiner seit dem Jahr 2013 bestehenden Rechtsprechung zur Bestimmung und Bewertung von Arbeitsvorgängen fest. Danach kann die gesamte Tätigkeit einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Auch Tätigkeiten mit unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit können, wenn sie zu einem einheitlichen Arbeitsergebnis führen, zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden. Bei der Bewertung der Arbeitsvorgänge genügt es für die Erfüllung der tariflichen Anforderung der "schwierigen Tätigkeiten", wenn solche innerhalb des jeweiligen Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Umfang anfallen. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs schwierige Tätigkeiten ihrerseits in dem von § 12 Abs. 1 Satz 4 und 7 TV-L** bestimmten Maß - vorliegend also mindestens zur Hälfte, zu einem Drittel oder zu einem Fünftel - anfallen. Diese nach den tarifvertraglichen Regelungen maßgebliche Grundregel gilt uneingeschränkt auch bei einer Eingruppierung nach den besonderen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften (Teil II Abschnitt 12.1 TV-L EntgeltO). Entgegen der Auffassung des beklagten Landes steht dieser Auslegung nicht ein anderer Wille der Tarifvertragsparteien entgegen. Ein solcher hat in den tariflichen Eingruppierungsbestimmungen nicht den erforderlichen Niederschlag gefunden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. September 2020 - 4 AZR 195/20 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2020 - 15 Sa 1260/19 -
Hinweis: In einem weiteren Verfahren vom heutigen Tag, das dieselbe Rechtsfrage betraf (Az. - 4 AZR 196/20 -), obsiegte die dortige Klägerin ebenfalls
*Die tariflichen Vorschriften lauten auszugsweise:
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„12.
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Beschäftigte im Justizdienst
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12.1
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Beschäftigte bei Gerichten und
Staatsanwaltschaften
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Entgeltgruppe 9a
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1.
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...
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2.
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Beschäftigte in Serviceeinheiten bei
Gerichten oder Staatsanwaltschaften, deren Tätigkeit sich dadurch aus der
Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 heraushebt, dass sie schwierig ist.
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(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 2
und 3)
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Entgeltgruppe 6
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1.
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…
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2.
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Beschäftigte in Serviceeinheiten bei
Gerichten oder Staatsanwaltschaften, deren Tätigkeit sich dadurch aus der
Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 4 heraushebt, dass sie mindestens zu
einem Fünftel schwierig ist.
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(Beschäftigte in dieser Fallgruppe
erhalten eine monatliche Entgeltgruppenzulage gemäß Anlage F
Abschnitt I Nr. 11.)
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(Hierzu Protokollerklärungen
Nrn. 2, 3 und 4)
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3.
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…
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4.
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Beschäftigte in Serviceeinheiten bei
Gerichten oder Staatsanwaltschaften.
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(Hierzu Protokollerklärung
Nr. 2)
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Protokollerklärungen
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1.
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…
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2.
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Beschäftigte in Serviceeinheiten bei
Gerichten oder Staatsanwaltschaften sind Beschäftigte, die die Ausbildung
nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Justizfachangestellten/zur
Justizfachangestellten vom 16. Januar 1998 (BGBl. I S. 195) erfolgreich
abgeschlossen haben und Aufgaben des mittleren Justizdienstes bzw. der
entsprechenden Qualifikationsebene und der Justizfachangestellten (z.B.
Geschäftsstellentätigkeit, Protokollführung, Assistenztätigkeiten)ganzheitlich
bearbeiten, sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten in
Serviceeinheiten ausüben.
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3.
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Schwierige Tätigkeiten im Sinne
dieses Tätigkeitsmerkmals sind z.B.:
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a) die Anordnung von Zustellungen …,
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b) die Erteilung von Rechtskraft-
und Notfristzeugnissen sowie die Erteilung von Vollstreckungsklauseln, die
Vollstreckbarkeitsbescheinigung in Strafsachen,
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c) die Aufgaben nach den Anordnungen
über die Erhebung von statistischen Daten und der Mitteilung an das
Bundeszentralregister, das Gewerbezentralregister und das
Kraftfahrtbundesamt,
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d) …
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e) die Aufgaben des Kostenbeamten …
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f) die Mitwirkung bei der
Überwachung von Auflagen und Weisungen nach § 153a Absatz 1
Strafprozessordnung und dem Jugendgerichtsgesetz sowie der Lebensführung des
Verurteilten nach § 453b Strafprozessordnung und der Gnadenordnung sowie
der Überwachung von Zahlungen bei der Vollstreckung von Geldstrafen,
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g) die unterschriftsreife
Vorbereitung von Beschlüssen und Verfügungen …,
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h) die Beantwortung von
Sachstandsanfragen und Auskunftsersuchen formeller Art …
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**Die Vorschrift des § 12 TV-L lautet:
Eingruppierung
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(1)
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Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach
den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung (Anlage A). Die/Der Beschäftigte
erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen
die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit
entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den
Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte
Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines
Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe
erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der
Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (zum Beispiel vielseitige
Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese
Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem
Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 4
bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für
jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Satz 4
oder 6 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem
Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten
bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
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Protokollerklärung zu § 12 Absatz 1:
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1.
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Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich
Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (zum Beispiel unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Betreuung bzw. Pflege einer Person oder
Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG,
Durchführung einer Unterhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne
Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der
Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
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2.
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Eine Anforderung im Sinne der Sätze 4 und 5 ist
auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus
einer niedrigeren Entgeltgruppe.
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