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| Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Aufhebungsklage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist allerdings die Rüge der Klägerin zur Unzulässigkeit der Berufung im bühnenschiedsgerichtlichen Verfahren von vornherein unbeachtlich. Ein Aufhebungsbegehren iSv. § 110 ArbGG kann nicht auf die Verletzung tarifvertraglicher Vorschriften über das Schiedsgerichtsverfahren gestützt werden. Im Übrigen haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass die Nichtverlängerungsmitteilung der Klägerin vom 17. Juli 2007 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31. Juli 2008 beendet hat. |
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| A. Die Aufhebungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig. |
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| I. Nach § 110 Abs. 1 ArbGG kann auf Aufhebung eines Schiedsspruchs ua. geklagt werden, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren unzulässig war (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG) oder wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG). Die Klage ist nach § 110 Abs. 3 Satz 1 ArbGG binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu erheben. |
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| II. Vorliegend stützt die Klägerin ihr auf einen Schiedsspruch bezogenes Aufhebungsbegehren zum einen auf einen - von ihr so bezeichneten - „Verfahrensmangel iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG“, weil das Bühnenoberschiedsgericht die Berufung der Beklagten gegen den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts zu Unrecht als zulässig angesehen habe. Zum anderen rügt sie, das Bühnenoberschiedsgericht habe § 61 Abs. 3 NV Bühne-SR Solo fehlerhaft ausgelegt und angewandt. Damit macht sie geltend, der Schiedsspruch beruhe iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG auf der Verletzung einer Rechtsnorm. Die zweiwöchige Klagefrist ist gewahrt. |
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| B. Die Aufhebungsklage ist unbegründet. |
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| I. Das Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG ist in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Verfahrensfehler können, soweit sie nicht auch in einem Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wären, entsprechend § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur Berücksichtigung finden, wenn sie in der durch § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gebotenen Form vorgetragen werden (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 487/09 - Rn. 14 mwN, EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 11). Materielle Rechtsfehler fallen unter § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG und sind in entsprechender Anwendung des § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. |
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| II. Hiernach haben die Vorinstanzen die Aufhebungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen. |
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| 1. Es liegt kein Aufhebungsgrund iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG vor. Das schiedsgerichtliche Verfahren war nicht „an sich“ unzulässig. Die Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung war von der Beklagten nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG vor dem Bühnenschiedsgericht geltend zu machen, da sich das Arbeitsverhältnis der Parteien „nach einem Tarifvertrag bestimmt“ im Sinn dieser Vorschrift. Der NV Bühne umfasst nach seinem persönlichen Geltungsbereich überwiegend „Bühnenkünstler“ nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG (vgl. § 1 Abs. 1 NV Bühne) und schließt die Arbeitsgerichtsbarkeit ausdrücklich aus (vgl. § 53 NV Bühne). Allerdings gilt eine Vereinbarung der Tarifvertragsparteien, mit der sie bei Bestehen von Schiedsgerichten die staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließen, in erster Linie für tarifgebundene Personen (§ 101 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Ob die Klägerin tarifgebunden ist, ist von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden. Darauf kommt es aber vorliegend im Ergebnis auch nicht an. Die entsprechende Vereinbarung der Tarifvertragsparteien gilt auch dann, wenn die betreffenden tariflichen Bestimmungen aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung zur Anwendung kommen (§ 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG) und es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, das nach dem konkreten Inhalt der ausgeübten Tätigkeit einer Berufsgruppe zuzuordnen ist, für die nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG bei Tarifgebundenheit der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit wirksam geregelt werden kann (vgl. BAG 25. Februar 2009 - 7 AZR 942/07 - Rn. 18 mwN, bühnengenossenschaft 2010, Nr. 6-7, 8; 6. August 1997 - 7 AZR 156/96 - zu I 2 der Gründe, BAGE 86, 190; GK-ArbGG/Mikosch Stand Oktober 2008 § 101 Rn. 27 mwN). Dies ist hier der Fall. Die Parteien haben vereinbart, dass sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem „Normalvertrag Solo in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ändernden und ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen sowie den sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein - Bundesverband deutscher Theater und der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger für die auf Normalvertrag Solo Beschäftigung vereinbarten Tarifverträgen“ richtet. Der NV Bühne ist an die Stelle des Normalvertrags Solo getreten (vgl. Hk-NV Bühne-Nix/Herdlein 2. Aufl. Einleitung Rn. 1). Die Beklagte gehört als „Souffleuse/Inspizientin mit Spielverpflichtung“ einer Berufsgruppe an, für die eine einzelvertragliche Schiedsvereinbarung zulässig ist. |
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| 2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht geprüft, ob die von der Klägerin erhobene Rüge im Hinblick auf die von ihr angenommene Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Berufungsverfahrens wegen der zweimaligen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im bühnenoberschiedsgerichtlichen (Berufungs-)Verfahren begründet ist. Auf diese Rüge kann die Aufhebungsklage nicht gestützt werden. Es handelt sich weder um einen Verfahrensfehler iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG noch um die Verletzung einer Rechtsnorm iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Der Rechtsfehler wirkt sich aber nicht aus (§ 561 ZPO), da das Landesarbeitsgericht einen beachtlichen Verfahrensverstoß verneint hat. |
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| a) Nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung eines Schiedsspruchs geklagt werden, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren unzulässig war oder wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Hierunter fallen Verstöße gegen tarifvertragliche Vorschriften über das schiedsgerichtliche Verfahren nicht. Allerdings können Verfahrensfehler des Schiedsgerichts - insbesondere Verstöße gegen §§ 105 ff. ArbGG - einen Aufhebungsgrund iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG darstellen (vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 110 Rn. 8 mwN). Auch sind materiell-rechtliche tarifliche Bestimmungen Rechtsnormen iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG (vgl. BAG 2. Juli 2003 - 7 AZR 613/02 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 611 Musiker Nr. 39). Die Verletzung tarifvertraglicher Vorschriften über das schiedsgerichtliche Verfahren kann aber weder nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG noch nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG mit einer Aufhebungsklage erfolgreich gerügt werden. |
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| aa) Das Arbeitsgerichtsgesetz regelt in seinen §§ 102 ff. die Einzelheiten des schiedsgerichtlichen Verfahrens nicht vollständig. Gemäß § 104 ArbGG bestimmt sich das Verfahren vor dem Schiedsgericht nach §§ 105 bis 110 ArbGG und dem Schiedsvertrag, im Übrigen nach dem freien Ermessen des Schiedsgerichts. Daraus folgt, dass nur Verstöße gegen die im Arbeitsgerichtsgesetz geregelten Verfahrensvorschriften - also zB eine Verletzung des Grundsatzes der vorherigen Anhörung der Parteien nach § 105 Abs. 1 ArbGG - einen Aufhebungsgrund abgeben können (ähnlich bereits BAG 12. Mai 1982 - 4 AZR 510/81 - BAGE 38, 383). Die tarifvertragliche Ausgestaltung des Schiedsgerichtsverfahrens darf bereits aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht dazu führen, dass die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung eines in der Sache ergangenen Schiedsspruchs nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG verhindert wird. |
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| bb) Die Klage nach § 110 ArbGG richtet sich auf die Aufhebung „des Schiedsspruchs“. Das drückt aus, dass die schiedsgerichtliche Entscheidung in der Sache - und nicht die über die Eröffnung eines weiteren Instanzenzugs im schiedsgerichtlichen Verfahren oder über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines diesbezüglichen Rechtsmittels - einer Aufhebung zugänglich sein soll. Entsprechend sind das Verfahren vor der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit und das arbeitsgerichtliche Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG auch nicht etwa als einheitlicher Instanzenzug ausgestaltet. Mit der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts ist das Bühnenschiedsgerichtsverfahren verbraucht (aA aber GMP/Germelmann ArbGG § 110 Rn. 26). Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 110 ArbGG sind nicht die vom Bühnenschiedsgericht und Bühnenoberschiedsgericht getroffenen Entscheidungen, sondern das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren (vgl. zu alldem [in der Konstellation, dass der Kläger im Schiedsverfahren auch Kläger der Aufhebungsklage ist] BAG 12. Januar 2000 - 7 AZR 925/98 - zu A der Gründe mwN, AP BGB § 611 Musiker Nr. 30 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 8). Dieses muss unabhängig von der jeweiligen tarifvertraglichen Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens einer Überprüfung nach § 110 Abs. 1 ArbGG zugeführt werden können. |
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| b) Demnach kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob das Bühnenoberschiedsgericht zutreffend von der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten gegen den Spruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts ausgegangen ist. Selbst wenn das Bühnenoberschiedsgericht die tarifvertragliche Verfahrensordnung falsch angewandt hätte, dürfte im Rahmen der Aufhebungsklage nicht etwa die Berufung der Beklagten gegen den Spruch des Bühnenschiedsgerichts als unzulässig verworfen werden. Vielmehr müsste auch dann das Sachbegehren der Beklagten im schiedsgerichtlichen Verfahren einer Bescheidung durch die Gerichte für Arbeitssachen zugeführt werden. |
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| 3. Der Schiedsspruch - in Gestalt der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts - beruht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf einer fehlerhaften Auslegung und Anwendung des § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo. Zu Recht haben die Vorinstanzen erkannt, dass die Beklagte unter diese besondere tarifliche Bestandsschutzvorschrift fällt und daher die Nichtverlängerungsmitteilung vom 17. Juli 2007 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam zum 31. Juli 2008 beendet hat. |
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| a) Nach § 61 Abs. 1 NV Bühne-SR Solo endet das Arbeitsverhältnis mit dem im Arbeitsvertrag genannten Zeitpunkt. Es verlängert sich zu den Bedingungen dieses Zeitvertrags um ein weiteres Jahr (Spielzeit), wenn keine der Vertragsparteien schriftlich eine Nichtverlängerungsmitteilung erklärt (vgl. § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne-SR Solo). Besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien am Ende einer Spielzeit ohne Unterbrechung mehr als 15 Jahre (Spielzeiten), schränkt § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo das Recht des Arbeitgebers ein, durch Abgabe einer Erklärung die weitere Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu hindern. Er ist nur noch berechtigt, durch Nichtverlängerungsmitteilung die bisher für das Vertragsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen zu ändern. § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo dient damit dem Bestandsschutz, nicht aber dem Inhaltsschutz (vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung nach § 2 Abs. 3 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 zB BAG 24. September 1986 - 7 AZR 663/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 53, 108). Anders als die Klägerin meint, knüpft der besondere Bestandsschutztatbestand nicht an die ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses zum Ende derjenigen Spielzeit an, in der die Nichtverlängerung ausgesprochen werden muss. Dies ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift. |
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| aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG 24. August 2011 - 4 ABR 122/09 - Rn. 15 mwN). Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB BAG 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271). |
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| bb) Nach diesen Kriterien meint § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo nicht das Ende der Spielzeit, in der die Nichtverlängerungsmitteilung zugegangen sein muss, sondern das Ende der Spielzeit, in der das (verlängerte) Arbeitsverhältnis (noch) besteht. |
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| (1) Hierauf deuten zunächst der Wortlaut und grammatikalische Ausdruck der Tarifvorschrift. § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo legt als Tatbestandsvoraussetzung für die Eröffnung des besonderen Bestandsschutzes eine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt fest. Dieser spielzeitende-beschriebene Zeitpunkt ist mit Bezug auf den „Bestand“ des Beschäftigungsverhältnisses formuliert, womit eher das Ende der Spielzeit, zu der sich nach § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne-SR Solo das Arbeitsverhältnis jeweils verlängert hat, gemeint ist. Eine andere Interpretation scheint nach dem Wortsinn zwar nicht ausgeschlossen. Der „Stichtag“ kann sich auch, wie die Klägerin meint, auf das Ende der Spielzeit beziehen, in der die Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird. Zwingend ist dies aber nicht. Entgegen der Ansicht der Revision ist der „Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung“ nach der tariflichen Bestimmung nicht das „maßgebliche Ereignis“; auch sind weder Wortsinn noch Syntax eindeutig mit dem „Ende der Spielzeit“, in die der Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung fällt, verknüpft. |
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| (2) Der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht deutlich für ein Verständnis dahin gehend, dass das „Ende einer Spielzeit“ nach § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo die Spielzeit meint, während der das (verlängerte) Arbeitsverhältnis besteht. § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne-SR Solo legt den (Zugangs-)Zeitpunkt der Nichtverlängerungsmitteilung in Abhängigkeit von der „Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet“, fest. Für langjährig Beschäftigte ist dieser Zeitpunkt nach § 61 Abs. 2 Satz 2 NV Bühne SR-Solo „vorverlegt“. Der in § 61 Abs. 2 Satz 2 NV Bühne-SR Solo verwandte Ausdruck „Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten) …“ kann in diesem Kontext nur diejenige Spielzeit meinen, in der das (verlängerte) Arbeitsverhältnis besteht. Anders wäre der vorgezogene Zugangszeitpunkt für die Nichtverlängerungsmitteilung nach § 61 Abs. 2 Satz 2 NV Bühne-SR Solo im Zusammenhang mit der Verlängerungsfiktion des § 61 Abs. 2 Satz 1 NV Bühne-SR Solo (Verlängerung „um ein Jahr/Spielzeit“) weitgehend sinnentleert. Dass die Tarifvertragsparteien aber bei der gleichen Sprachwendung in § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo einen inhaltlich anderen Anknüpfungspunkt bei der „Berechnung“ der den Bestandsschutz auslösenden Dauer des Arbeitsverhältnisses regeln wollten, ist eher fernliegend. Überzeugend hat das Landesarbeitsgerichts schließlich auch auf Folgendes hingewiesen: Weil im Fall des § 61 Abs. 3 Satz 1 NV Bühne-SR Solo („mehr als fünfzehn Jahre“) stets auch ein Fall des § 61 Abs. 2 Satz 2 NV Bühne-SR Solo liegt („mehr als acht Jahre“), erscheint es konsequent, bei den beiden tariflichen Vorschriften die Dauer der „Betriebszugehörigkeit“ nicht nach unterschiedlichen Kriterien zu bestimmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dieses Auslegungsergebnis durch einen systematischen Vergleich mit § 61 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne-SR Solo bestätigt: Diese Tarifvorschrift setzt neben dem Zeitpunkt „Ende einer Spielzeit“, zu dem das Arbeitsverhältnis mehr als 15 Jahre (Spielzeiten) bestanden haben muss, noch die Vollendung des 55. Lebensjahres voraus. Bei letzterer - auf das Lebensalter bezogener - Tatbestandsvoraussetzung ist kein „spielzeitende-abhängiger“ Termin festgelegt, sondern der Zeitpunkt, in dem „die Nichtverlängerungsmitteilung spätestens zugegangen sein muss“. Das spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien das Tatbestandsmerkmal „Ende einer Spielzeit“ gerade nicht bezogen auf den Zeitpunkt, in dem die Nichtverlängerungsmitteilung spätestens zugegangen sein muss, verstanden wissen wollten. |
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| (3) Dieses Verständnis von § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo entspricht Sinn und Zweck der Regelung. Die Tarifvertragsparteien haben bei einer langjährigen Beschäftigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf und Nichtverlängerungsmitteilung ausschließen wollen. Ein mehr als 15 Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis soll einem erhöhten Bestandsschutz unterfallen und nicht mehr automatisch enden, wenn der Arbeitgeber von der Möglichkeit der Nichtverlängerungsmitteilung Gebrauch gemacht hat. Daher ist es folgerichtig, für die Feststellung des mehr als 15-jährigen Bestands des Arbeitsverhältnisses auf dessen Ende und nicht auf das Ende der Spielzeit abzustellen, in der die Nichtverlängerungsmitteilung zugeht. Dem steht nicht entgegen, dass für den besonderen tarifvertraglichen Kündigungsschutz - etwa nach § 53 Abs. 3 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder § 44 des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) - der Zugang der Kündigung maßgeblich ist. Vielmehr bestehen insoweit strukturelle Unterschiede. Ein dem Geltungsbereich des NV Bühne unterfallender Arbeitsvertrag ist regelmäßig nicht unbefristet. Er ist vielmehr nach § 2 Abs. 2 NV Bühne ein Zeitvertrag, der nach § 61 Abs. 1 NV Bühne-SR Solo mit dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt endet, sich aber nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 NV Bühne-SR Solo verlängert, wenn eine Nichtverlängerungsmitteilung unterbleibt. Die Möglichkeit der Nichtverlängerung wird bei einer bestimmten Vertragsdauer durch § 61 Abs. 3 NV Bühne-SR Solo eingeschränkt. |
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| (4) Das Auslegungsergebnis von § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo, nach dem es auf das Ende der Spielzeit, in der das Arbeitsverhältnis besteht, ankommt, wird - ohne dass dies aber letztlich ausschlaggebend wäre - durch die aktuelle Tarifentwicklung gestützt. Mit dem Fünften Tarifvertrag vom 14. Februar 2011 zur Änderung des Normalvertrags Bühne vom 15. Oktober 2002 (veröffentl. zB im Staatsanzeiger für das Land Hessen 2011 Nr. 16 S. 630 f.) haben die Tarifvertragsparteien die Vorschrift des § 61 NV Bühne-SR Solo geändert und in Abs. 3 Unterabs. 1, Unterabs. 2 und Unterabs. 3 jeweils vor dem Wort „ununterbrochen“ die Worte „bei derselben Bühne“ eingefügt. Im Zeitpunkt der Tarifänderungen waren der hier von der Aufhebungsklage betroffene Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts sowie die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts zu dem Verständnis von § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo getroffen und dürften - zumindest der fachinteressierten Öffentlichkeit - bekannt gewesen sein. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit trotz vereinbarter Änderungen von § 61 Abs. 3 NV Bühne-SR Solo keinen Klarstellungs- oder Modifizierungsbedarf gesehen. Auch mit dem Sechsten Tarifvertrag vom 15. April 2011 zur Änderung des Normalvertrags Bühne vom 15. Oktober 2002 (bekannt gemacht ua. im Ministerialblatt des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen Nr. 4/2011 S. 37) ist § 61 Abs. 3 NV Bühne-SR Solo nicht verändert - oder auch nur sprachlich überarbeitet - worden. Dies spricht dafür, dass das von den Bühnenschiedsgerichten und auch den Vorinstanzen angenommene Auslegungsergebnis jedenfalls nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien widerspricht. |
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| b) Demnach hat die Nichtverlängerungsmitteilung der Klägerin vom 17. Juli 2007 das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht wirksam beendet. Das am 1. Januar 1993 begründete und sich nach § 61 Abs. 2 NV Bühne-SR Solo jeweils um ein Jahr (Spielzeit) verlängernde Arbeitsverhältnis hat am 31. Juli 2008 - dem maßgeblichen Zeitpunkt „am Ende einer Spielzeit“ iSv. § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo - mehr als 15 Jahre (Spielzeiten) bestanden. Eine Nichtverlängerungsmitteilung konnte nach § 61 Abs. 3 Unterabs. 1 NV Bühne-SR Solo nur noch ausgesprochen werden, um das Arbeitsverhältnis zu anderen Vertragsbedingungen fortzusetzen. |
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. |
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