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| I. Die Revision ist zulässig. Die Klägerin hat sich in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise (dazu BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 16) mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinandergesetzt. Mit ihrer Rechtsauffassung, das Arbeitsverhältnis habe im streitbefangenen Zeitraum nicht iSv. § 4 Abs. 6 VTV geruht, weil die Vergütungspflicht als Hauptleistungspflicht der Beklagten fortbestanden habe, hat die Klägerin das angefochtene Urteil insgesamt in Frage gestellt. Mit dieser Sachrüge hat die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. |
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| II. Die Revision ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsklage zu Unrecht abgewiesen. Auch wenn die Klägerin, wovon Landesarbeitsgericht und Beklagte ausgehen, in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 24. August 2010 Elternzeit beansprucht und das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitraum deshalb geruht hätte, war sie bereits ab dem 1. Dezember 2010 in die Stufe 3 ihrer Vergütungsgruppe und ihres Bandes höherzustufen. Das folgt aus § 6 Satz 1 LZK-TV 2008. |
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| 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, das Berufungsurteil auf mögliche Rechtsfehler hinsichtlich der Anwendung des § 6 LZK-TV 2008 zu überprüfen, obwohl die Klägerin diesbezüglich keine Rüge erhoben hat. Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Ist die Revision zulässig und ordnungsgemäß begründet, hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil innerhalb desselben Streitgegenstands deshalb ohne Bindung an die erhobenen Sachrügen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten auf seine materielle Richtigkeit und mögliche Rechtsfehler hin zu prüfen. Das angefochtene Urteil ist bei Vorliegen eines Rechtsfehlers auch dann aufzuheben, wenn dieser nicht gerügt ist (BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 34; 17. November 2005 - 6 AZR 107/05 - Rn. 22, BAGE 116, 213). |
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| 2. Das Landesarbeitsgericht hat § 6 Satz 1 LZK-TV 2008 fehlerhaft ausgelegt. Es hat weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang dieser Bestimmung hinreichend Rechnung getragen. |
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| a) Es kann dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 24. August 2010 geruht hat, obwohl die Klägerin in dieser Zeit Geld aus ihrem Langzeitkonto erhalten hat. Damit lag, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat, jedenfalls keine „klassische Elternzeit“ vor. Die Klägerin hatte das Entgelt, das ihr während der Elternzeit gezahlt wurde, im aktiven Beschäftigungsverhältnis erarbeitet und zur späteren Entnahme „angespart“. |
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| b) Diese Besonderheit haben die Tarifvertragsparteien, die in § 4 Abs. 2 LZK-TV ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet haben, das Langzeitguthaben in Zeiten, in denen nach § 15 BEEG ein Kind von einem Arbeitnehmer der Beklagten selbst betreut und erzogen wird, für teilweise oder vollständige Freistellungen zu nutzen, erkannt. Sie haben die Folgen dieser Besonderheit konsequent in § 6 LZK-TV, im streitbefangenen Zeitraum in § 6 Satz 1 LZK-TV 2008, als lex specialis gegenüber § 4 Abs. 6 VTV geregelt. § 6 Satz 1 LZK-TV 2008 erfasste entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten auch die vorliegende vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung. |
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| aa) Das ergab sich bereits aus dem Wortlaut. Eine „Verringerung“, dh. Minderung bzw. Herabsetzung oder Reduzierung (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „verringern“) der Arbeitszeit liegt auch bei einer Absenkung auf „Null“ vor. |
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| bb) Das wortlautgemäße Auslegungsergebnis wurde durch die Tarifsystematik bestätigt. |
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| (1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgte aus § 6 Satz 2 LZK-TV 2008 nicht, dass die Tarifvertragsparteien die vollständige Freistellung ausschließlich mit und in Satz 2 regeln wollten. Satz 1 ordnete vielmehr als Grundregel an, dass dem Arbeitnehmer bei allen tariflichen Ansprüchen durch die Verwendung des Langzeitguthabens keine Nachteile entstehen sollten. Abweichend von dieser Grundregel legte Satz 2 im Wege der Rückausnahme für einen eng begrenzten Bereich, nämlich den Erwerb von Kurpunkten nach § 26 und § 27 der Sonderregelungen bei den Verwendungsmöglichkeiten des § 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 und 2 LZK-TV, doch eine nachteilige Auswirkung fest. |
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| (2) Das wird bestätigt durch die Überschrift des § 6 LZK-TV 2008 „Status während der Freistellung“. Auch daraus wurde deutlich, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Bestimmung die Statusfolgen aller Verwendungsmöglichkeiten des § 4 LZK-TV 2008 regeln wollten und nicht nur, wie von der Beklagten angenommen, die Folgen einer teilweisen Freistellung in Form der Verringerung der Arbeitszeit. |
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| cc) Auch der Zweck der Regelung spricht für dieses Verständnis. |
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| (1) Entgegen der Auffassung der Beklagten sollte § 6 LZK-TV 2008 nicht nur verhindern, dass sich Leistungen, die vom Umfang der Arbeitszeit abhingen, verringerten. § 6 Satz 1 LZK-TV 2008 galt auch nicht nur für geldwerte Leistungen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung blieb die Verringerung der Arbeitszeit „bei der Bemessung von tariflichen Ansprüchen“, also umfassend, außer Betracht. Die Tarifvertragsparteien wollten die Arbeitnehmer, die von den in § 4 LZK-TV 2008 eröffneten Verwendungsmöglichkeiten Gebrauch machten, offenkundig so stellen, als hätten sie gearbeitet. Das war ausgehend davon, dass sich diese Arbeitnehmer das im Langzeitkonto geführte Geldguthaben durch Mehrarbeit bzw. Übertreffen von vereinbarten Zielen erarbeitet hatten und damit letztlich während der Freistellung für eine Vorleistung entlohnt wurden (vgl. für das Arbeitsentgelt während der Freistellungsphase der Altersteilzeit BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 27/07 - Rn. 38, BAGE 125, 333), konsequent. Ohnehin wäre die Höherstufung auch nach dem Verständnis der Beklagten eine „geldwerte Leistung“, weil sie sich unmittelbar in der Höhe des Entgelts niederschlägt. |
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| (2) Folgte man dem Verständnis des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, hätten die Tarifvertragsparteien für den gesamten Regelungsbereich des § 4 Abs. 1 LZK-TV 2008 nur eine rudimentäre, noch dazu ausschließlich negative Statusregelung getroffen. Das widerspräche dem in der Überschrift und in Satz 1 ausgedrückten Regelungszweck des § 6 LZK-TV 2008, den Status während der Freistellung umfassend zu regeln und dabei Nachteile grundsätzlich auszuschließen. |
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| dd) Schließlich wird das Auslegungsergebnis durch die Tarifgeschichte bestätigt. Anders als die Beklagte annimmt, enthält § 6 LZK-TV 2012 nicht nur redaktionelle Änderungen, sondern stellt klar, dass die Tarifvertragsparteien diese Regelung von Beginn an im dargelegten Sinn verstanden haben. Sie haben nunmehr in § 6 Abs. 1 LZK-TV 2012 ausdrücklich geregelt, dass (immer dann), wenn ein Langzeitguthaben für eine Verringerung der Arbeitszeit „nach § 4“ verwendet wird, diese Verringerung bei der Bemessung von tariflichen Ansprüchen außer Betracht bleibt. Mit dem Bezug auf den gesamten § 4 LZK-TV 2012, in dessen Abs. 1 nach wie vor ausschließlich die vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung geregelt ist, haben sie deutlich gemacht, dass „Verringerung der Arbeitszeit“ auch die vollständige Freistellung und damit - sofern kein Fall des Abs. 3 vorliegt - auch die Inanspruchnahme von Elternzeit unter vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 4 Abs. 2 LZK-TV 2012 sein kann. |
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| 3. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts steht der Zweck des § 4 Abs. 6 VTV vorstehendem Auslegungsergebnis nicht entgegen. |
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| a) Es ist schon zweifelhaft, ob die Tarifvertragsparteien mit dem Stufenaufstieg tatsächlich (nur) die Berufserfahrung honorieren wollten. Dagegen spricht, dass bei den von § 4 Abs. 5 VTV erfassten Personenkreisen bei einer Höhergruppierung um eine Gruppe die Stufe beibehalten wird und die angebrochene Stufenlaufzeit berücksichtigt wird. Dagegen spricht auch, dass - anders als zB im TVöD oder TV-L (dort jeweils § 17 Abs. 3) - auch Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis zwar nicht ruht, aber gleichwohl keine Berufserfahrung erworben wird, wie es etwa bei längeren Arbeitsunfähigkeitszeiträumen der Fall ist, für den Stufenaufstieg uneingeschränkt berücksichtigt werden. |
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| b) Auch wenn man annähme, dass der Stufenaufstieg nach § 4 Abs. 2 VTV den Zugewinn an Berufserfahrung honorieren soll, und berücksichtigte, dass ein solcher Zugewinn während der Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit nicht erfolgt (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 36, BAGE 137, 80), stünde § 4 Abs. 6 VTV der Berücksichtigung der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 24. August 2010 nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien berücksichtigten schon in § 6 Satz 1 LZK-TV 2008 offensichtlich, dass das Guthaben im Langzeitkonto vorwiegend durch Mehrarbeit erworben wurde, und nahmen an, dass die dadurch erworbene Berufserfahrung deshalb bei der Entnahme aus dem Konto zu berücksichtigen war. Darum führt das gewonnene Auslegungsergebnis auch nicht zu dem von der Beklagten befürchteten gleichheitswidrigen und/oder widersprüchlichen Ergebnis. Die Berufserfahrung von Arbeitnehmern, die Elternzeit nehmen, ohne zugleich das Guthaben aus dem Langzeitkonto zu verwenden, und solchen Arbeitnehmern, die während der Elternzeit ihr Guthaben zurückführen, unterscheidet sich nach Auffassung der Tarifvertragsparteien, weil das Langzeitkonto durch Leistungen, die zu einem höheren Maß an Berufserfahrung führten, aufgefüllt wurde. Diese Einschätzung ist noch von dem Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt. Dies gilt umso mehr, als es sich typischerweise, wie auch der Fall der Klägerin zeigt, um relativ kurze Zeiträume handelt. Der Klägerin stand für die zweite Phase der Elternzeit vom 1. Mai 2011 bis zum 28. Februar 2012 offensichtlich kein einzusetzendes Guthaben aus dem Langzeitkonto mehr zur Verfügung. Die Tarifvertragsparteien haben zudem, wie ausgeführt, auch Zeiten, in denen keine Berufserfahrung erworben wird, für den Stufenaufstieg nicht generell unberücksichtigt gelassen und damit gezeigt, dass es ihnen jedenfalls nicht uneingeschränkt auf den ununterbrochenen Erwerb von Berufserfahrung ankommt. |
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| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. |
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