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| Die Revision ist begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ist wegen Altersdiskriminierung unwirksam. Auf einen anderen Beendigungstatbestand hat sich die Beklagte nicht berufen. Antragsgemäß war daher festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bis 30. Juni 2014, dem Vortag des Rentenbeginns, fortbestand. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG gegeben ist, kann der Senat nicht selbst beurteilen. Die Sache war deshalb insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. |
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| I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch, soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren die Feststellung begehrt hat, dass das Arbeitsverhältnis bei Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung bis zum Ablauf des 30. Juni 2014 fortbestand. |
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| 1. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unzulässige Klageänderung (vgl. hierzu BAG 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 - Rn. 20; 10. März 2015 - 3 AZR 36/14 - Rn. 21). Es handelt sich inhaltlich um eine Beschränkung der Bestandsstreitigkeit. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin des 31. Dezember 2013 hinaus war durch den Weiterbeschäftigungsantrag schon Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ein rechtskräftig ausgeurteilter Weiterbeschäftigungsantrag würde nämlich implizieren, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat und bis dahin nicht durch andere, nach dem 31. Dezember 2013 wirkende Auflösungstatbestände beendet wurde. Nach einer Verurteilung zur Weiterbeschäftigung wäre der Beklagten der Einwand solcher Auflösungstatbestände verwehrt gewesen. Die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag hätte daher vergleichbar einer allgemeinen Feststellungsklage insoweit zu einer Klärung der Bestandsfrage geführt, denn auch die allgemeine Feststellungsklage hat zum Gegenstand, ob das Arbeitsverhältnis über den durch eine Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat (vgl. zur Feststellungsklage BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 163/14 - Rn. 24). Indem die Klägerin den Weiterbeschäftigungsantrag für erledigt erklärt hat und den Bestand des Arbeitsverhältnisses nur noch bis 30. Juni 2014 festgestellt wissen will, hat sie ihre Klage bezüglich des Bestands ab dem 1. Juli 2014 zurückgenommen. |
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| 2. Die bezüglich des Zeitraums bis 30. Juni 2014 begehrte Feststellung weist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf. Von der Feststellung können weitere Ansprüche der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis, zB auf Zahlung von Annahmeverzugslohn, abhängen. Die angestrebte Gesamtbereinigung der Bestandsfrage rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. |
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| II. Die Feststellungsklage ist begründet. Über die Begründetheit der Entschädigungsklage kann noch nicht abschließend entschieden werden. |
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| 1. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigung vom 24. Mai 2013 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2013 aufgelöst. Das Kündigungsschreiben lässt eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Alters vermuten (§ 22 AGG). Die Beklagte hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht bewiesen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Die Kündigung ist deshalb nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unwirksam. |
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| a) Die streitgegenständliche Kündigung bedarf nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG, da der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG unstreitig nicht eröffnet ist. Die Beklagte ist ein so genannter Kleinbetrieb. Es ist aber zu prüfen, ob die Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 14 f., BAGE 147, 60). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine Kündigung während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG oder einen Kleinbetrieb handelt. |
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| b) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Hierzu zählt auch das Lebensalter (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 13). Das Benachteiligungsverbot bezieht sich auf unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. |
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| c) § 22 AGG trifft hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und durch § 1 AGG verbotenem Anknüpfungsmerkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Nach § 22 Halbs. 1 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt und ggf. beweist, die diese Benachteiligung vermuten lassen (BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 f. mwN). Dies gilt auch bei einer möglichen Benachteiligung durch eine ordentliche Kündigung, die nicht den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes genügen muss (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 41, BAGE 147, 60; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 2 AGG Rn. 17; Günther/Frey NZA 2014, 584, 585). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158). Für die Vermutungswirkung des § 22 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund „Bestandteil eines Motivbündels“ ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 22; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, aaO). |
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| d) Hiervon ausgehend ist eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin durch die Kündigung vom 24. Mai 2013 wegen ihres Lebensalters zu vermuten. |
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| aa) Die Klägerin wurde jedenfalls im Verhältnis zu ihrer Kollegin K durch die streitgegenständliche Kündigung weniger günstig behandelt, denn dieser wurde nicht gekündigt. Beide befanden sich aufgrund ihrer Tätigkeit im Labor der Beklagten in einer vergleichbaren Situation, denn sie verrichteten dort vergleichbare Tätigkeiten. Beide führten mikroskopische und mikrobiologische Untersuchungen sowie PSA- und Testosteron-Messungen durch. Zudem erstellten beide Spermiogramme. Dies ist ausreichend für die Annahme einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Beide sind unstreitig für die Tätigkeiten im Labor qualifiziert. Die von der Beklagten hervorgehobenen zusätzlichen Qualifikationen von Frau K stehen nicht im Zusammenhang mit dem durch die Laborreform angeblich erforderlichen Personalabbau. Nach dem Vortrag der Beklagten war ab dem 1. Januar 2014 mit einem erheblichen Rückgang des Arbeitsanfalls im Labor zu rechnen. Dies bezieht sich auf die Tätigkeiten, welche sowohl die Klägerin als auch Frau K verrichteten. |
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| bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin im Kündigungsschreiben vom 24. Mai 2013 lasse gemäß § 22 AGG vermuten, dass das Alter der Klägerin jedenfalls auch ein Motiv für die Kündigung war und die Klägerin die weniger günstige Behandlung unmittelbar wegen ihres Alters erfahren hat. |
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| (1) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung der Tatsachengerichte von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 30; 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37). |
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| (2) Wird ein Arbeitnehmer wegen der Möglichkeit des Bezugs einer Rente wegen Alters weniger günstig behandelt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor (vgl. zu Art. 1 iVm. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23 f., Slg. 2010, I-9343). |
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| (3) Mit dem Landesarbeitsgericht ist hier eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Lebensalters und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu vermuten. Das Kündigungsschreiben führt an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass damit das Alter der Klägerin in Bezug genommen wird, denn mit dieser Formulierung wird offensichtlich auf die - zumindest in absehbarer Zeit - bestehende Möglichkeit der Beanspruchung gesetzlicher Altersrente hingewiesen. Diese setzt nach den §§ 35 ff. SGB VI bei jedem Tatbestand ein Mindestalter voraus. Die Möglichkeit des Bezugs von Altersrente ist daher untrennbar mit dem Alter verbunden. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass es unwahrscheinlich sei, dass die „Pensionsberechtigung“ und damit das Alter der Klägerin für die Kündigungsentscheidung keine Rolle gespielt habe. Durch die Verwendung des Wortes „deshalb“ im zweiten Absatz des Schreibens habe zwar wohl nur eine Verbindung zwischen der Kündigung und der Umstrukturierung der Praxis aufgrund der Veränderungen im Laborbereich hergestellt werden sollen. Gleichwohl sei nicht zu erkennen, dass der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ allein der Tatsache geschuldet gewesen sein soll, die betrieblich notwendige Kündigung freundlich und verbindlich zu formulieren. Hierfür hätte es ausgereicht die Leistungen und Verdienste der Klägerin in den Vordergrund zu rücken. Dieses Verständnis des Kündigungsschreibens begegnet keinen revisionsrechtlich relevanten Bedenken. Es entspricht vielmehr der naheliegenden Einschätzung, dass mit der angeführten „Pensionsberechtigung“ die soziale Absicherung der Klägerin in den Vordergrund gestellt werden sollte, um die mit der Kündigung verbundenen Härten für die Klägerin zu relativieren. Dies spricht dafür, dass das Lebensalter bei der Kündigungsentscheidung berücksichtigt wurde. |
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| cc) Die Beklagte hat nicht iSd. § 22 AGG bewiesen, dass entgegen dieser Vermutung kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. |
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| (1) Besteht eine Benachteiligungsvermutung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Auch hierfür gilt § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, allerdings mit dem Beweismaß des so genannten Vollbeweises (BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 40). Bei einer wegen des Alters vermuteten Benachteiligung ist die Darlegung und ggf. der Beweis von Tatsachen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben, und dass in dem Motivbündel das Alter keine Rolle gespielt hat (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 34). |
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| (2) Die Beklagte hat behauptet, dass der Klägerin ausschließlich wegen ihres im Verhältnis zu ihren Kolleginnen niedrigeren Qualifikationsniveaus gekündigt worden sei. Die Klägerin hat dies bestritten. Da sich die Beweisangebote der Beklagten nur auf die jeweiligen Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und die betrieblichen Anforderungen beziehen, konnte die Beklagte nicht beweisen, dass die Rentenberechtigung der Klägerin und damit ihr Alter bei der Kündigungsentscheidung keine Rolle gespielt hat. Die angenommene Altersversorgung der Klägerin kann auch bei Bestehen der angeführten Qualifikationsunterschiede ein weiteres Motiv für die Kündigung der Klägerin gewesen sein. Dies gilt auch hinsichtlich der Aussage des Gesellschafters O im Rahmen seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht. Er hat erklärt, der Klägerin wäre auch dann gekündigt worden, wenn sie erst 55 Jahre alt gewesen wäre. Auch damit wurde kein Vollbeweis bezüglich der behaupteten Irrelevanz des Alters der Klägerin bei der Kündigungsentscheidung geführt. Die Rentennähe der Klägerin kann die Kündigungsentscheidung bestärkt haben. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen („willkommener Anlass“). |
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| e) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die zu vermutende unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen des Alters nicht nach § 10 AGG zulässig. |
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| aa) Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 Satz 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Gemäß § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auszulegen (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17; 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30). Dieser hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Eine unabhängig von Allgemeininteressen verfolgte Zielsetzung eines einzelnen Arbeitgebers kann aber keine Ungleichbehandlung rechtfertigen. |
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| bb) Derjenige, der sich auf die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 AGG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens eines legitimen Ziels im Sinne dieser Vorschrift (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 50; vgl. auch BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 34, BAGE 147, 89; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 39, BAGE 133, 265). |
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| cc) Die Beklagte hat zur Rechtfertigung der anzunehmenden Ungleichbehandlung der Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht nur angeführt, dass diese im Verhältnis zu den anderen Mitarbeiterinnen weniger qualifiziert und deren (zusätzliche) Qualifikationen für den Betrieb der Praxis erforderlich seien. Damit hat sie kein im Allgemeininteresse bestehendes Ziel benannt, sondern lediglich ihr eigenes Interesse an möglichst hoch qualifiziertem Personal in den Vordergrund gestellt. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dass die Beklagte ein legitimes Ziel verfolgt habe, weil sie andere Arbeitnehmer, insbesondere Frau K, welche mangels „Pensionsberechtigung“ und wegen unter Umständen längerer Arbeitslosigkeit sozial schutzbedürftiger seien, vor der Kündigung habe schützen wollen, entspricht dies nicht dem Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen. Die Revision rügt diesbezüglich zu Recht einen Verstoß gegen § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat die soziale Schutzbedürftigkeit von Frau K im Verhältnis zur Klägerin nicht thematisiert, sondern nur darauf hingewiesen, dass auch Frau K mit einem Lebensalter von 53 Jahren und 21 Jahren Betriebszugehörigkeit eine erhebliche soziale Schutzwürdigkeit erreicht habe. Es wurde aber nicht behauptet und konkret belegt, dass Frau K trotz ihrer hervorgehobenen Qualifikation wegen ihres Alters Schwierigkeiten haben würde, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Es wurde auch nicht die „Pensionsberechtigung“ der Klägerin einer angenommenen Schutzbedürftigkeit von Frau K gegenübergestellt. Dies gilt auch bezüglich der anderen Arbeitnehmerinnen. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Beurteilung ein von der Beklagten nicht behauptetes Ziel zugrunde gelegt und damit den Prozessstoff fehlerhaft gewürdigt. Zwar waren die Sozialdaten der Beschäftigten Teil des Parteivortrags. Aus diesen darf seitens des Gerichts aber keine mögliche soziale Zielsetzung zu Gunsten der insoweit darlegungsbelasteten Partei abgeleitet werden. Soweit die Beklagte nunmehr mit der Revisionserwiderung die Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestätigt, ist dies als neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 559 Abs. 1 ZPO). Gleiches gilt für die erstmals im Revisionsverfahren behauptete Zielsetzung einer ausgewogenen Personalstruktur und Personalplanung zur Sicherung des Erhalts der anderen Arbeitsplätze. |
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| dd) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines (zeitnahen) Rentenbezugs auch nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 5 und 6 AGG als generell zulässiges Differenzierungskriterium angesehen. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG gilt gerade nicht für Kündigungen („ohne Kündigung“). Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung kann daher nicht herangezogen werden (vgl. zur Wirksamkeit von Altersgrenzen BAG 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 33 f. mwN). § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG bezieht sich auf die Ausgestaltung von Sozialplänen. Diese kommen nur bei einer wirksamen Kündigung zum Tragen (vgl. zu ihrer Überbrückungsfunktion BAG 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13 - Rn. 23 mwN). |
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| ee) Soweit das Landesarbeitsgericht anführt, die Kündigung entspreche sogar den Anforderungen an eine nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl, kann dahingestellt bleiben, ob dies zutreffend ist. Die Zulässigkeit der Berücksichtigung einer altersbedingten Rentennähe im Rahmen dieser Sozialauswahl ist umstritten (vgl. AR/Kaiser 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 205 mwN unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 ATZG und § 41 SGB VI). Dessen ungeachtet kann aus der Vereinbarkeit einer Sozialauswahl mit den Vorgaben des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht geschlossen werden, es liege keine unzulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vor. Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind vielmehr im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 30 f., BAGE 147, 89; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36 f., BAGE 145, 296; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 47, BAGE 140, 169; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28, BAGE 128, 238). Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes hat die Prüfung - wie dargelegt - ohnehin unmittelbar am Maßstab des Benachteiligungsverbots des § 7 Abs. 1 AGG zu erfolgen. |
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| f) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen beruflicher Anforderungen iSd. § 8 Abs. 1 AGG zulässig wäre. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies aber nicht der Fall. Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist (vgl. hierzu BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34 ff., BAGE 148, 158). Die Beklagte hat bezüglich keiner der in der Praxis anfallenden Tätigkeiten behauptet, dass diese ab einem bestimmten Alter nicht mehr verrichtet werden könnten. Die genannten Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten sind unabhängig von deren Lebensalter. |
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| g) Der Senat kann über die Kündigungsschutzklage nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Die ungeklärten Fragen bezüglich der tatsächlichen Auswirkungen der Laborreform und der Qualifikationsunterschiede sind nicht entscheidungserheblich. Aus demselben Grund kann offenbleiben, ob die Klägerin letztlich gegen Frau H ausgetauscht wurde. |
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| 2. Die Feststellungsklage ist auch im Übrigen begründet. Das Arbeitsverhältnis bestand bis 30. Juni 2014 fort. Die Beklagte hat keinen vorher wirkenden Beendigungstatbestand angeführt. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich. |
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| 3. Hinsichtlich des Antrags auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG war das Urteil des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht hat keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erkannt und demnach konsequenterweise die für einen Entschädigungsanspruch erforderlichen Tatsachenbewertungen unterlassen. Hängt zudem die Höhe des etwaigen Entschädigungsanspruchs - wie hier - von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 31, BAGE 148, 158; 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 49; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 64). |
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| III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. |
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