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| Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die streitgegenständliche Kündigung vom 22. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Mai 2014 aufgelöst. |
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| 1. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Der Kläger hat zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt, dass der Beklagte die Stilllegung des ganzen Betriebs und damit eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geplant hat und diesbezüglich ein formwirksamer Interessenausgleich zustande kam, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Name des Klägers auf der entsprechenden Liste befindet. Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger die daraus gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO folgende Vermutung des Kündigungsgrundes nicht widerlegt hat (vgl. hierzu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 520/11 - Rn. 25; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 17, BAGE 140, 169). Die Revision erhebt insoweit keine Rügen. Gleiches gilt bezüglich der nicht zu beanstandenden Auffassung der Vorinstanzen, die Kündigung sei auch nicht wegen grober Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO (vgl. hierzu BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 22 ff., BAGE 147, 89). |
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| 2. Eine Unwirksamkeit der Kündigung folgt nicht aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratsanhörung wie das Arbeitsgericht als ordnungsgemäß angesehen. Dies greift die Revision nicht an. Ein Fehler ist auch nicht erkennbar. |
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| 3. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 17 KSchG gemäß § 134 BGB nichtig. |
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| a) Sie ist Teil einer anzeigepflichtigen Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Maßgeblich für die Zahl der in der Regel Beschäftigten ist im Stilllegungsfall auch bei einem sukzessiven Vorgehen des Arbeitgebers mit mehreren Entlassungswellen der Zeitpunkt, in dem zuletzt noch eine normale Betriebstätigkeit entfaltet wurde (BAG 24. Februar 2005 - 2 AZR 207/04 - zu B II 1 b der Gründe; KR/Weigand 11. Aufl. § 17 KSchG Rn. 45; ErfK/Kiel 16. Aufl. § 17 KSchG Rn. 11). Dies war hier vor der ersten Entlassungswelle im Dezember 2013 der Fall. Von den damals 257 Beschäftigten hat der Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Februar 2014 mehr als 30 Arbeitnehmer entlassen. Dies entsprach der nach dem Interessenausgleich beabsichtigten Vorgehensweise. Die im Februar 2014 erklärten Kündigungen von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse einem Sonderkündigungsschutz unterfielen, überschritten schon für sich genommen den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. |
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| b) Der Beklagte hat bezüglich der im Februar 2014 erklärten Kündigungen kein eigenständiges Massenentlassungsverfahren durchgeführt. Dies war auch nicht erforderlich, da sowohl das mit den Interessenausgleichsverhandlungen verbundene Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) als auch das Anzeigeverfahren (§ 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG) bezüglich aller wegen der beabsichtigten Betriebsstilllegung zu entlassenden Arbeitnehmer zusammengefasst im Dezember 2013 durchgeführt wurde. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht an einer Fehlerhaftigkeit des Konsultationsverfahrens. |
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| aa) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Das Konsultationsverfahren steht selbständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels (BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 28, BAGE 144, 366; 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 62). Dies entspricht der mit § 17 KSchG umgesetzten Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Massenentlassungsrichtlinie - MERL -, ABl. EG L 225 vom 12. August 1998 S. 16). Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 15, 16; Mehrens/Römer EWiR 2016, 281, 282; Wagner FA 2016, 144; Krieger ArbR 2016, 164; für das Anzeigeverfahren BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 39 ff., BAGE 144, 47; für das Konsultationsverfahren BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 21 ff., BAGE 144, 366). |
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| bb) Sollen in einem Betrieb nacheinander mehrere Massenentlassungen iSv. § 17 Abs. 1 KSchG durchgeführt werden, kann uU das Konsultationsverfahren ebenso wie das Anzeigeverfahren bezogen auf alle beabsichtigten Kündigungen zusammengefasst werden. Die Massenentlassungen bedürfen nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht zwingend gesonderter Verfahren nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Im Gegenteil dient es der vollständigen Information des Betriebsrats und der Agentur für Arbeit, wenn im Rahmen eines einzigen Konsultations- und Anzeigeverfahrens ein vollständiger Überblick über die beabsichtigten Kündigungswellen gegeben wird. Dies entspricht § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Abs. 3 Satz 4 KSchG, wonach die erforderlichen Angaben über den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, zu machen sind. Gegebenenfalls bedarf es allerdings nach § 18 Abs. 4 KSchG einer erneuten Anzeige. |
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| cc) Die Voraussetzungen einer Erfüllung der Konsultationspflicht im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen sind hier beachtet worden. |
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| (1) Die Konsultationspflicht ist der Sache nach regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung iSv. § 111 BetrVG, soweit mit ihr ein anzeigepflichtiger Personalabbau verbunden ist oder sie allein in einem solchen besteht, einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 752/11 - Rn. 46; 18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 107, 318). Soweit die ihm obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit denen nach § 111 Satz 1 BetrVG übereinstimmen, kann der Arbeitgeber sie gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat allerdings klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG dienen sollen (vgl. BAG 26. Februar 2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 17, BAGE 151, 83; 20. September 2012 - 6 AZR 155/11 - Rn. 47, BAGE 143, 150; 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 34, BAGE 140, 261). |
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| (2) Die Betriebsparteien haben den Interessenausgleich in der dritten Verhandlungsrunde am 19. Dezember 2013 fertiggestellt. Der Interessenausgleich macht in § 10 die Verbindung mit dem Konsultationsverfahren deutlich. Spätestens am 19. Dezember 2013 war für den Betriebsrat deshalb klar, dass die Interessenausgleichsverhandlungen auch der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 KSchG dienen sollten. Für den Betriebsrat war zweifelsfrei ersichtlich, dass sich das Konsultationsverfahren auch auf die einem Sonderkündigungsschutz unterfallenden Beschäftigten beziehen und diesen erst zu einem späteren, noch ungewissen Zeitpunkt gekündigt werden soll. Dies ergibt sich aus § 4 Abschnitt 4.1. des Interessenausgleichs, wonach etwaig erforderliche Zustimmungen von Behörden („zB nach SGB IX, BEEG, MuSchG“) vor den Kündigungserklärungen vom Beklagten einzuholen waren. In Kenntnis der gesetzlichen Vorgaben, wie sie bezüglich der schwerbehinderten Menschen in §§ 85 f. SGB IX enthalten sind, stand schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs fest, dass zwar alle Beschäftigten von der Betriebsstilllegung betroffen sein werden, die Kündigungen aber wegen der Abhängigkeit von Behördenentscheidungen nicht zeitgleich erklärt werden können. Dass die betroffenen Arbeitsverhältnisse von den Verhandlungen im Dezember 2013 schon erfasst werden sollten, ergibt sich zudem aus § 2 Abs. 2 und § 3 des Interessenausgleichs, wonach die Stilllegung die Kündigung aller 257 Beschäftigten zur Folge haben soll. Dementsprechend sind alle 257 Beschäftigten, das heißt auch die besonders geschützten Arbeitnehmer, auf der Namensliste angeführt. |
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| (3) Der Betriebsrat wurde durch den Entwurf des Interessenausgleichs rechtzeitig iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet. Dies hat der Senat in seiner Entscheidung vom 9. Juni 2016 (- 6 AZR 405/15 - Rn. 24 ff.) bereits begründet. Hierauf wird verwiesen. |
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| (4) Gleiches gilt bezüglich der Heilung eines eventuellen Verstoßes der Unterrichtung gegen das Schriftformerfordernis des § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 27). |
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| (5) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG muss der Betriebsrat über die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer unterrichtet werden. Entgegen der Auffassung der Revision bewirkt das Fehlen einer ausdrücklichen Unterrichtung über die betroffenen Berufsgruppen hier nicht die Unwirksamkeit der Kündigung. Die insoweit fehlerhafte Unterrichtung ist durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs jedenfalls geheilt worden. Auch diesbezüglich nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 9. Juni 2016 (- 6 AZR 405/15 - Rn. 29 ff.) Bezug und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf. Die übrigen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG erforderlichen Angaben wurden gemacht. Dies stellt die Revision nicht in Frage. |
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| (6) Eine Frist von mindestens zwei Wochen zwischen der Unterrichtung des Betriebsrats und der Erstattung der Massenentlassungsanzeige war nicht einzuhalten (BAG 9. Juni 2016 - 6 AZR 405/15 - Rn. 36). |
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| dd) Die Massenentlassungsanzeige vom 27. Dezember 2013 bezieht sich auf alle 257 Beschäftigten und damit auch auf die erst im Februar 2014 gekündigten Arbeitnehmer. Eine Fehlerhaftigkeit des Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 3 KSchG rügt die Revision nicht. |
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| 4. Es bedurfte hinsichtlich der im Februar 2014 erklärten Kündigungen keiner erneuten Massenentlassungsanzeige nach § 18 Abs. 4 KSchG. |
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| a) Gemäß § 18 Abs. 4 KSchG bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG einer erneuten Anzeige, wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG zulässig sind, „durchgeführt“ werden. Damit ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein aktives Handeln, nämlich das „Umsetzen in die Tat“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „Durchführung“), bspw. die „Verwirklichung“, die „Ausführung“ oder die „Bewerkstelligung“ (Duden Das Synonymwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „Durchführung“), gemeint. Die Regelung ist deshalb dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, die Kündigungen innerhalb der 90-Tage-Frist zu erklären (vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 29 mwN, BAGE 128, 256). Er muss nach Ablauf der sog. Freifrist eine erneute Anzeige erstatten, wenn er von der Möglichkeit der Kündigungserklärung bis dahin keinen Gebrauch gemacht hat. Auf diese Weise werden „Vorratsanzeigen“ verhindert, die dem Zweck des Gesetzes zuwiderliefen, die Agentur für Arbeit über das tatsächliche Ausmaß der Beendigungen von Arbeitsverhältnissen ins Bild zu setzen (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 33, BAGE 133, 240; zustimmend: Hergenröder EWiR 2010, 579, 580; Clemenz Anm. EzA KSchG § 18 Nr. 2; Boemke jurisPR-ArbR 35/2010 Anm. 4; vgl. auch BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 33 mwN; 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 21, BAGE 134, 176; v. Hoyningen-Huene in vHH/L 15. Aufl. § 18 Rn. 25; ErfK/Kiel 16. Aufl. § 18 KSchG Rn. 7; Lembke/Oberwinter in Thüsing/Laux/Lembke KSchG 3. Aufl. § 18 Rn. 21 f.; AR/Leschnig 7. Aufl. § 18 KSchG Rn. 20; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 142 Rn. 37; APS/Moll 4. Aufl. § 18 KSchG Rn. 38; Bader/Bram/Suckow Stand April 2016 § 18 KSchG Rn. 19; HaKo/Pfeiffer 5. Aufl. § 18 Rn. 20; BeckOK ArbR/Volkening Stand 15. März 2016 KSchG § 18 Rn. 17; Stahlhacke/Vossen 11. Aufl. Rn. 1664; KR/Weigand 11. Aufl. § 18 KSchG Rn. 40; Wertheimer in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 18 Rn. 18; aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 9. Aufl. § 18 KSchG Rn. 17). |
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| b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die streitgegenständliche Kündigung des Klägers innerhalb der sog. Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG erklärt wurde. Die Frist von 90 Tagen schließt sich unmittelbar an das Ende der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG an. Die Sperrfrist endete hier mit dem 27. Januar 2014, das heißt die Freifrist begann am 28. Januar 2014. Die mit Schreiben vom 22. Februar 2014 erklärte Kündigung des Klägers ging diesem innerhalb der Freifrist zu. Dies belegt schon der Umstand, dass er bereits am 25. Februar 2014 die vorliegende Kündigungsschutzklage erhob. |
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| 5. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen. |
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